Ateliergespräch - Danja Akulin

Der in St. Petersburg geborene Künstler Danja Akulin lebt und arbeitet in Berlin. Seit seinem Studium an der Akademie der Künste bei Daniel Richter und Georg Baselitz sind seine Werke in zahlreichen Gruppen- und Solo-Ausstellungen zu sehen gewesen. Bekannt ist der Künstler für seine großformatigen in Bleistift gezeichneten Werke, bei denen er es schafft, dieser Technik eine ungeahnte Darstellungstiefe zu verleihen. So sieht das auch sein ehemaliger Professor Baselitz, der sich über seine Arbeiten so äußerte: „Gute Zeichnungen sehen aus wie dieses hier.“ Im Gespräch mit der Spiegelberger Stiftung verrät Akulin, warum er zur Zeichnung ein gespaltenes Verhältnis hat.

Lieber Danja Akulin, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch nehmen. Seit der Renaissance gibt es in der Kunst den Streit zwischen Disegno der Zeichnung und Colorito der vollendeten farbigen Malerei. Bei Ihnen verschmilzt beides zu einer Einheit und die Zeichnung wird zur Malerei. Aber zu einer Malerei, die ohne Farbe auskommt. Würden Sie Michelangelo zustimmen, der einst meinte, dass die Zeichnung die wahre Quelle der Kunst sei, weil sich in ihr bereits die Idee zeige?

DA: Das kenne ich natürlich auch. Aber Michelangelo hat das auf klassische Zeichnungen bezogen. Ich nenne meine Zeichnungen Bilder. Streng genommen sind es zwar Zeichnungen, denn meine Technik ist Bleistift auf Papier. Aber wegen der großen Formate und weil ich auch Graphitpulver und Pinsel nutze, werden sie zu Bildern. Ganz klassische Zeichnungen sind das also nicht.

Ist der Graphitpinsel dann so der Moment, wo Zeichnung und Malerei für Sie zusammenkommen?

DA: Meine Technik hat sich mit der Zeit entwickelt. Früher habe ich kleinere Werke geschaffen und nur mit Bleistift gezeichnet. Ich verwende auch Kohle. Bei Kohle arbeitet man nur mit dem Pinsel. Das ist monochrome Malerei. Diese Werke führe ich dann auch nicht auf Papier, sondern auf Leinwand aus. Wenn ich müde vom Graphit bin, greife ich zur Kohle. Es ist auch wichtig, dass ich meine Bilder nicht als Zeichnungen, sondern als Gemälde präsentiere. Ich spanne das Papier auf Leinwand und einen Keilrahmen, statt es in einen Rahmen hinter Glas zu setzen.

War es für Sie immer schon klar, dass Bleistift, Graphit und Kohle die Medien Ihrer Wahl sind? 

DA: Als Kind wollte ich nicht zeichnen, daran hatte ich gar kein Interesse — ich habe es aber immer wieder versucht. Meine Eltern sind ebenfalls Künstler, also habe ich mich auch damit befasst, allerdings leider immer unter Druck. Bis zu meinem 16. Lebensjahr wollte ich gar nicht Kunst studieren.

 Wie sind Sie dann dahin gekommen? Und haben Sie, als Sie dann in Berlin an der Akademie der Künste studiert haben, auch mal mit Farbe gemalt?

DA: Davor habe ich in Russland Bildhauerei studiert, dann Malerei. Ich habe alles mögliche ausprobiert, natürlich auch klassische Malerei. Und irgendwann habe ich meine eigenen Ideen entwickelt. Ich probiere auch zwischendurch immer noch, Farbe hinzuzufügen. Aber es stört mich irgendwie, es zu viel. Ich kann im Monochromem und mit Bleistift viel mehr sagen. Mein Ziel ist es, eine maximal klare Aussage zu machen. Meine Kunstsprache ist so, dass ich die Dinge immer deutlicher und deutlicher machen will. Dafür muss das Bild von allein sprechen und leben.

 Ihr Lehrer Georg Baselitz setze Ihr Werk schon in Bezug zu Kasimir Malewitsch, dem großen Meister der Russischen Avantgarde. Welchen Einfluss hatte das Schwarze Quadrat von 1915, die Ikone der Moderne auf Sie?

DA: Das Schwarze Quadrat ist ja übrigens schwarz-weiß! [lacht] . Natürlich ist das eine Ikone, aber Malewitsch hatte das überhaupt nicht vorgehabt. Es ist zur Ikone geworden, so wie auch Warhol-Arbeiten. Für mich ist das Schwarze Quadrateine absolute Endreduzierung. Und in diesem Sinne hat es für mich ganz viel mit meiner Arbeit zu tun. Ich versuche, mehr und mehr zu reduzieren. Das Seestück zum Beispiel besteht nur aus der See, Wolken und einem Schimmer. Durch die Reduzierung, die ich immer weiter zu treiben versuche, erhält das Werk eine symbolische Dimension. Man könnte auch sagen: es wird zu einer Metapher.

Weil wir gerade vom Seestück sprechen: Bei ihren Arbeiten hat man sofort den Eindruck des atmosphärischen Naturerlebens. Ist die unberührte Natur ein Sehnsuchtsort für Sie?

DA: Die Natur ist einfach ein Anlass. Es geht mir um die Stimmung und die Atmosphäre, aber auch um Strukturen. Natürlich auch Beleuchtung und verschiedene Lichtsituationen. Deshalb befasse ich mich mit vielen Sujets auch öfter: nachts, im Winter, im Sommer ...

Das ist fast schon ein romantischer Ansatz, oder?

DA: Ja, romantisch vielleicht … im positiven Sinne.

Wie wählen Sie Ihre Landschaften aus? Welche Landschaft ist es wert, für Sie in einem großen Format auf die Leinwand gebracht zu werden?

DA: Es müssen sehr einfache Motive sein. Ich versuche, maximal einfache Motive maximal komplex werden zu lassen. So kann ein Werk von Nahem interessant sein, aber von Weitem wirkt es ganz still.

 Und wie lange brauchen Sie für eines Ihrer Werke?

DA: Ich finde es sehr schwierig, ein Bild fertig zu machen. Ich mache immer weiter und weiter. Oft kann ich in zwei Tagen neunzig Prozent eines Bildes fertigstellen und die restlichen zehn Prozent dauern dann ein paar Monate. Generell ist es so: Wenn ich nur an einem Bild arbeite, drehe ich durch. Ich brauche Abwechslung. Aktuell arbeite ich beispielsweise an sieben Bildern parallel.

Ihre neueste Serie trägt den schönen Namen Penumbra. Was verbirgt sich dahinter?

DA: Das ist eigentlich keine neue Serie, sondern eine ganz alte. Ich bin mit dieser Serie seit zehn Jahren beschäftigt, und jetzt endlich kommt ein großartiges Buch darüber heraus. Kein Katalog, sondern ein richtiges Künstlerbuch mit meinen besten Werken. Es entsteht zusammen mit der Spiegelberger-Stiftung. Ich freue mich sehr über die Zusammenarbeit. Es wird Mitte April erscheinen.

Wir freuen uns ebenfalls sehr darauf. Vielen herzlichen Dank, lieber Danja Akulin, für das Gespräch und diese Einblicke in Ihr Werk!

Dieses Ateliergespräch mit Danja Akulin führten Nora Niefanger und Rene Spiegelberger im Feburar 2022. Der Künstler wird durch die Galerie J.J. Heckenhauer in München vertreten. Mehr Informationen über das Werk von Danja Akulin finden Sie unter www.danjaakulin.com und auf  Instagram @danjaakulin..