Ateliergespräch - Gabriel Dubois

Gabriel Dubois - Portrait

© Andreas Sibler

Was war Ihr erster Kontakt mit Farbe?

Meine Mutter pflegte mich als Baby mit pürierten Avocados zu füttern, somit gehört dieses Avocado-Grün zu meinen frühesten Farb- Erinnerungen.

Können Sie uns ein wenig über Ihre Anfänge erzählen und darüber, wo Sie herkommen und wie Sie dorthin gekommen sind, wo Sie aktuell stehen?

Aufgewachsen bin ich im nördlichen Distrikt Vancouvers. Ich verbrachte meine Sommer damit, zu skateboarden und nackt durch den Wald zu rennen. Von sechzehn an drehte sich alles nur noch um Graffiti. Es war spannend, anderen Writern zu begegnen und sich mit ihnen auszutauschen, neues Terrain zu erkunden und die Einflüsse aus verschiedenen Ländern zu entdecken. Dann gab es einen Wendepunkt, an dem ich begann, das geschriebene Wort runterzubrechen. Ein Prozess des Zerlegens und Wiederzusammenfügens begann. Ich fing an, Bilder auf Holz zu malen, zuerst Zuhause im Hinterhof und später im Atelier. Hier begann das Experimentieren mit neuen Medien und Techniken. Ich reiste und sammelte Informationen; der Ausgangspunkt einer Art von hybridem Ansatz, der in meine visuelle Praxis einging. Diese Entwicklung geht kontinuierlich weiter und dauert bis heute an.

Welchen Einfluss hatte Ihr Studium am Emily Carr Institute auf Ihre künstlerische Praxis?
Emily Carr war von verhältnismäßig kurzer Dauer. Ich absolvierte das Grundstudium und ein paar weiterführende Kurse im zweiten Jahr. Aufgrund meines kurzen Aufenthaltes hatte ich keine Gelegenheit, bei den Professoren zu lernen, die mich interessiert hätten. Nichtsdestotrotz hatte ich die Chance, mit neuen Medien zu experimentieren. Ich habe die meiste Zeit in der Druckerei verbracht und mich mit Radierungen, Lithographie und Siebdrucken beschäftigt.

Gabriel Dubois, 2014Können Sie mir ein wenig über Ihre Künstlergruppe Beer Bench Gospel Collective erzählen?

́Beer Bench` begann am Cambie Pub in Gastown. Ich, Ben Tour und Mr.Cloud machten kleine Zeichnungen auf nasse Servietten und versuchten, wie schottische Seemänner zu singen. Wir begannen, zusammen zu malen, einander zu übermalen, unerbittlich. Erschöpft und frustriert ging es nach ein paar Stunden Arbeit zurück in die Kneipe. Später, als Sandro und Fontski sich auf das Projekt einließen, wurde die Arbeit konzentrierter und es entstanden einige interessante Stücke.

Wie ging es mit der Gruppe weiter?

Unsere ersten Beer Bench Ausstellungen waren in der Misanthropy Gallery. Hier haben wir begonnen, mit Installationen zu experimen- tieren und gefundene Objekte zu integrieren. Dies stellt gewissermaßen auch die Grundlage jener Strukturen dar, die ich heute baue.

Wie haben sich Ihre Methoden verändert?

Ich denke, ich bin in den letzten Jahren durch zahlreiche Phasen gegangen. Und die Arbeit selbst ist ständig in Bewegung.

Wie haben sich Ihre Einflüsse verändert oder entwickelt?

Es gab so viele Einflüsse auf dem Weg. Sie finden ihren Eingang Schritt für Schritt in die Arbeit, was es schwer macht, sie genau zu definieren. Während ich bestimmte Aspekte wieder aufgreife, mischen sich neue Eindrücke ein. Ich denke, was mich am meisten leitet, ist, mein eigenes Fortschreiten zu überprüfen. Musik und Geräusche sind wichtig, wenn ich arbeite. Sie funktionieren wie eine Art externes Leitmedium.

Alle Ihre materiellen Ausdrücke, Bilder, Papierarbeiten, Skulpturen und Installationen zeichnen sich durch eine besondere Ästhetik aus. Die Aufmerksamkeit wird auf die Komposition, Strukturmodelle, Geometrie,Textur, Umfang und Farbenlehre gelenkt. Ich habe gelesen, dass Sie ein Faible dafür haben, in nomadische Verhältnisse abzugleiten. Wie manifestiert sich dies in Ihrer künstlerischen Praxis?

BOMBAY, INDIA, 2008

Ich denke, wenn man reist oder sich in neuen Umgebungen bewegt, werden die Sinne geschärft. Ständige Spannung führt dazu, dass Informationen schneller verarbeitet werden. Ich nähere mich meiner Arbeit ähnlich wie als wenn ich einen Nachmittag zu Fuß durch eine neue Stadt schlendere. Meine Reisen durch Asien hatten einen starken Einfluss auf mich, vor allem Indien: die reiche Ausstrahlung des Landes hat in mir Lust auf mehr geweckt. 2004 bin ich dem Tsunami in Sri Lanka entflohen. Diese Erfahrung und die neuen Buchstaben- formen, die ich für die Tsunami-Serie angesetzt hatte und die Entwürfe für Wall Paintings darstellten, durchlebe ich noch immer. Seit einigen Jahren lebe ich in Deutschland, eine zweijährige Auszeit in London inbegriffen. Die Ausgangsbasis hier zu haben, hat es mir erlaubt, einen großen Teil West- und Osteuropas zu besuchen. Der Osten ist faszinierend, schon die Aufmachung eines Hotellogos kann hier für mich unglaublich sexy sein.

Ihre Skulpturen sind Reminiszenzen an eine naive Architektur, fast wie die Spielburg eines Kindes. Betrachten Sie ihre Skulpturen als Räume des Rückzugs und wie funktioniert dieser Ausdruck mit dem des Institutions- oder Ausstellungsraums, der diese Werke zeigt?

Für mich symbolisieren sie ein einfacheres Leben, sind heilige Orte für den Rückzug. Schiffe, um Zeit und Alltag zu entfliehen. Der Prozess des Objektaufbaus ist ein sehr geerdetes Verfahren. Immer wieder erinnere ich mich an Begegnungen mit Menschen, die in solchen Behausungen leben und mich zu diesen Unterständen inspiriert hat. Landstreichern entlang der Eisenbahnlinien, alten Inselhippies oder die gesellschaftlichen Außenseiter in Japan, die unter Autobahnen oder entlang des Flussufers leben. Wenn sie in einem Galerieraum präsentiert werden, ist man unsicher ob sie ein besonderes Erbe bewahren: etwa jenes, welches das globale Wirtschaftsklima kommentiert oder ein Modell für einen minimalistischen Lebensstil oder einer phantasievolles Spielhaus. Sie stehen gewissermaßen über allem und bieten ein Meer von Gefühlen dar. Die meisten der ortsgebundenen Objekte wurden auf Festivals mit der Hilfe von Freunden gebaut. In jenen Fällen beherbergen sie das gesellschaftliche Geschehen; Menschen können in einer vertrauten Umgebung zueinander finden. The Pickled Hering fungierte drei Tage lang als eine Kneipe, begleitet von einer siebenköpfigen Band. So war es mehr als festlich, wenn wir volles Haus hatten.

Hütte

Von der jeweiligen Farbe des Holzes hin zu den anthropomorphen Fenster und Türen kommt man nicht umhin, Ihren Objekten einen nostalgischen Charakter anzudeuten. Wer wohnt in diesen Räumen die Sie Instant Harmonica oder Kayserai Manti nennen?

Ihren Namen zu finden, macht so viel Spaß wie sie zu bauen. Instant Harmonica war ein Notenheft für Mundharmonika aus den 70er Jahren, das ich während der Bauphase gefunden habe. Der farbige Einband fungierte als Farbschema für die Hütte und der Titel schien mehr als passend. Ich mag es, Titel durch interessante Zufälle zu finden. Kayserai Manti war ein Wortspiel auf eine Bio-Bäckerei auf Rädern, die ich mal gesehen hatte.

Viel von Ihrem verwendeten Material scheint zusammengekehrt, abgefangen, gefunden, oft zufällig zu sein. Stellen Sie sich vor, bestimmte Geschichten oder Erzählungen zu rekonstruieren?

Die Zuordnung und die Produktion der Bilder ist ein dynamischer und spannender Prozess, kann aber gleichzeitig auch eine Herausforderung sein. Studio-Bilder sind fast nie vorab durch- dacht. Der Ausgangspunkt kann eine schnelle intuitive Markierung sein oder es kann aus sorgfältig platzierten Linien wachsen.Die Stufe, auf der ich weiß, wie ich das Stück gestalten will, variiert und neigt dazu, mit mir mitzugehen. Oft drehe ich die Bilder und manövriere sie durch die Zeit hindurch, um neue Lösungen zu finden. Meine Absicht tritt im Prozess hervor und besitzt seine eigene Entwicklung. Ich denke, die mit den Bildern verbundenen Geschichten sind eng mit dem Betrachter verknüpft.

Ihre Arbeiten auf Papier folgen einer weicheren Technik in puncto Komposition. Sie sind leiser, man könnte sogar sagen sanfter. Wie beurteilen Sie Ihre Papierwerke im Verhältnis zu Ihren Holz- oder Metallbildern?

Die Arbeiten auf Papier sind schnell gemacht und somit mehr einem Impuls verhaftet während die Bilder über einen längeren Zeitraum hinweg aufgebaut werden. Man kann das damit vergleichen, wie es ist, sich Notizen zu machen oder einen Essay zu schreiben.

Gabriel Dubois - Street PaintingIhre Außen-Arbeiten haben einen eigentümlichen Charme, vor allem hinsichtlich des Ortscharakters der einzelnen Arbeiten. In einigen Fällen sind die Wall Paintings dezent-harmonisch in die Umgebungsarchitektur eingeflochten. In anderen Fällen explodieren sie einem unerwartet aus einer desolat wirkenden Oberfläche entgegen. In bei-den Fällen beziehen die Werke nachdrücklich den sie umgebenden Raum mit ein und wirken so wie ein Fortsatz einer bereits bestehenden Struktur. Wonach wählen Sie die Standorte für Ihre Außen-Arbeiten aus?

Die Räume, die ich auswähle, haben einen unmittelbaren Einfluss auf mich. Die bestehen- den Kompositionen, die ich ausgewählt habe, um mit ihnen zu arbeiten, ermöglichen mir eine vereinfachte oder präzisere Annäherung. Die Fülle von Orten, die Sie entdecken, wenn Sie reisen, ist erstaunlich, und aus diesem Grund bin ich draußen aktiver. Die Orte können überall sein, von ländlichen Dörfern über Stadtzentren hin zu verlassenen Industrielofts. Die Art, wie Menschen auf meine Kunst reagieren ist überall anders. In Indien waren die Leute super freundlich und luden mich ein, ihre Häuser zu bemalen, wenn sie sahen, was ich tat. Im Westen habe ich keine Erlaubnis eingeholt und musste daher einmal mehr wählerisch damit sein, wo ich male.

Die rücksichtsvolle Platzierung Ihrer Outside Art ermöglicht es vielen ihrer Werken so zu er- scheinen,als ob sie zusammengehörten; so, als ob das eine ohne das andere nicht existieren könnte. Die Palette reicht von knalligen, fröhlich verspielten Farben bis hin zu gedämpften, leicht verblasst wirkenden Monochromatismen. Einige wirken so, als würden sie im Nichts verblassen. Transportieren ihre Outside-Arbeiten eine Botschaft?

Für mich geht es darum, wie das Bild koexistieren kann. Mehr als darum, wie es eine spezielle Botschaft transportieren kann. Ich denke, die Outside Art ist in der Lage, eine Menge Dinge in den Köpfen der Menschen zu be- werkstelligen. Sie kann verlassene Räume mit Freude und Leben füllen.

Gabriel - PROCESSDie kalligraphische Tendenz innerhalb Ihrer Wandmalereien erinnert an Hieroglyphen; eine umfangreiche und bildhafte Sprache, die so erscheint, als sei sie in nahezu jede Kultur zu übersetzen.Wie würden Sie den Ausgangspunkt Ihres Stils, Ihrer Bildsprache beschreiben?

Verschiedene Sprachen, denen ich begegnet bin, haben die finalen Formen inspiriert. Tamil zum Beispiel zeichnet sich durch ein wunder- schönes Gleichgewicht zwischen geschwungenen und klobigen Formen aus; diese haben ihren Weg in meine Bilder gefunden. Die Tatsache, dass sie übersetzbar erscheinen, ist eine Gemeinsamkeit, sodass sie ein breites Publikum erreichen können. Das ist ein superpositiver Punkt.Ich versuche, so originalgetreu wie möglich zu sein und meinen Stil erkennbar zu meinem zu machen.

Was ist Ihnen das Wichtigste, wenn Sie an Ihre Jugend in Vancouver denken?

Die Natur und die Menschen sind das, was ich am meisten von Vancouver vermisse. Ich schaffe es, alle paar Jahre nach Hause zu kommen und meine Familie zu besuchen, nicht annähernd genug. Alles scheint sich sehr schnell zu ändern, jeden Monat werden neue Häuser gebaut, dort, wo ich aufgewachsen bin. Die Stadt wächst ständig weiter aber einige Bereiche haben ihren Reiz erhalten. Derzeit bin ich in der Planung, einige Arbeiten in der Trench Gallery in Gas Town zu zeigen, d.h. hoffentlich werde ich es dann runter schaffen. Es gibt noch so viel von British Colombia, was ich sehen möchte.

Für Unikat VI ist ein neuer Zyklus von Werken entstanden. Sie arbeiten bevorzugt in solchen Blöcken von zwei bis sechs Arbeiten. Was charakterisiert diese aktuellen Arbeiten aus Ihrer Sicht?

Die Arbeit in Blocks oder Gruppen ist für mich ein Ritual geworden. Es gestattet eine Auseinandersetzung, einen Dialog mit den Werken, genauso wie rhythmische Vibrationen, die zwischen den Arbeiten selbst stattfinden. Die Bilder sind eine Art Tagebuch und dieses Schema ist gut, wenn es darum geht, bestimmte Perioden oder Zeiten zu erkennen, die ich durchschreite. Es erlaubt auch, einmal kurz durchzuatmen und frische Luft zu schnappen, bevor die nächste Partie beginnt, gibt ein Gefühl der Geschlossenheit und neue Energie, um weiterzumachen!
Gabriel Dubois - STUDIO 4